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Recht vor Härte: Warum wir ein neues Bleiberecht brauchen

9. Februar 2021
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Wie konnte es eigentlich zur Abschiebung von Kindern kommen, die hier aufgewachsen sind? Und wie sollte ein neues Bleiberecht ausschauen. Hier findet ihr eine Analyse der aktuellen Rechtslage.

Der Fall von Tina T. und Ihrer Familie ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es zu so genannten Härtefällen, denen der/die jeweilige Innenministerin Härte zeigen kann. Meist handelt es sich um Menschen – oft um Familien mit Kindern – die vor Jahren einen Asylantrag gestellt haben, der dann irgendwann abgelehnt worden ist. Gegen die Ablehnung wurden Beschwerden eingelegt, der Gang zu den Höchstgerichten beschritten – dazwischen, in der Zeit des Wartens, der Ungewissheit, haben diese Menschen Wege gefunden, sich in Österreich heimisch zu fühlen. Sie haben eine gewisse Normalität entwickelt, die Kinder gehen in die Schule, die Erwachsenen arbeiten – soweit man ihnen das erlaubt, man klinkt sich in Netzwerke ein, findet Freunde, Unterstützer*innen.

Lange Verfahrensdauer

Warum es so weit kommt, dass die Familien nach langen Jahren doch noch abgeschoben werden (sollen), hat unterschiedliche Gründe: Meist ist der Umstand schuld, dass die Qualität der Asylverfahren vor dem BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) stark verbesserungswürdig ist, dass Akten liegen bleiben, Verfahrensfristen nicht eingehalten werden.

Wenn während des Asylverfahrens auch geprüft wird, ob es ein schützenswertes Privat- und Familienleben gibt, wird das erstmal verneint, weil der Aufenthalt in Österreich noch nicht lang genug (weniger als fünf Jahre) gedauert hat. Bevor es zu dieser Verneinung kommt, wird abgewogen, was stärker wiegt: das Interesse der geflüchteten Menschen hier in Österreich zu bleiben, oder das Interesse des österreichischen Staates an der Wahrung der öffentlichen Ordnung, an der Durchsetzung der restriktiven Fremdengesetze?

Diese Interessensabwägung geht dann oftmals zugunsten der Durchsetzung der staatlichen Ordnung aus. Und diese staatliche Ordnung muss dann auch die Konsequenz ziehen und „aufenthaltsbeendigende Maßnahmen“ – also eine Abschiebung – durchsetzen. Wenn diese Abschiebung aber über Jahre hin nicht durchgesetzt werden kann (Gründe gibt es hier viele), dann sind wir überzeugt: Es muss irgendwann das Recht – ein Recht kein Gnadenakt – auf ein Privat- und Familienleben überwiegen! – Sonst würde es ja diese Europäische Menschenrechtskonvention, diesen Artikel 8 gar nicht brauchen.

Ja: Irgendwann muss der Staat aufhören, den jahrelang hier lebenden Menschen vorzuhalten, wie sie hierhergekommen sind. Ein unmenschliches, unzeitgemäßes, ja fundamentalistisches Beharren auf Härte muss pragmatischen Lösungen weichen.

Gesetzliche Grundlagen schaffen

Dazu braucht es in einem Rechtsstaat auch gesetzliche Grundlagen für eine neue Bleiberechtsregelung. Eine Regelung, die – nach angemessener Frist von längstens 3 Jahren – dem Recht hier aufgewachsener Kinder, dem Recht auf Familienleben, aber auch dem Recht einzelner auf ihr Privatleben, ihre Zukunft hier in Österreich den Vorrang gibt.

Wie kann ein solches Bleiberecht aussehen?

Die Kompetenz zur Zuerkennung eines humanitären Bleiberechts, sollte den Ländern übertragen werden. Die Länder und Wohnbezirke sollen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können, Härtefallkommissionen zusammenstellen. Diese Kommissionen müssten aus Personen zusammengesetzt sein, die die Betroffenen und ihr Umfeld seit Jahren kennen. Das wären also Bürgermeister*innen, Vertreter*innen von Schulen, der Kirchen, der Sozialpartner, lokalen Vereinen und NGOs. – Und die Entscheidungen dieser Kommissionen müssen verbindlich umgesetzt werden; nur in begründeten Ausnahmefällen dürften die Sicherheitsbehörden ein Veto einlegen.
Und in einer gesetzlichen Grundlage für ein solches humanitäres Bleiberecht sollte auch die verpflichtende „vorrangige Erwägung“ des Kindeswohls festgehalten werden.